Freitag, 19. Juni 2015

über kreativität und krautsalat














 
Seid Ihr schon mal Eurer Muse begegnet? Ich meine so mit voller Wucht und krawumms? Ich bin froh, dass ich keine blauen Flecken davon habe. Zurück geblieben ist aber ein Gefühl von Fülle, von Ausgefülltsein und von Freude über die Fähigkeit so in mich versunken arbeiten zu können. Quasi auch blaue Flecken, nur in schön. Aquamarinblaue, türkisblaue, blaubeerblaue, capriblaue, bergseeblaue, azurblaue, himmelblaue, mitternachtsblaue und ozeanblaue Flecken auf meiner Seele. 


Kreativität verläuft nicht linear. Sie kommt und geht. Wann es ihr paßt. Auch manchmal wenn es mir nicht paßt. Aber das ist selten. Manchmal geht sie auch ihre Umwege und läßt auf sich warten. Dazu gesellt sich oft Unlust. Ihr habt das vielleicht gemerkt. War ruhig hier die letzten Monate. Und ich wollte mir die Ruhe gönnen, für mich und den Blog. Nichts tun kann so herrlich sein, aber das ist ein anderes Thema. Wenn sie also endlich da ist, Madame Muse, läßt sie sich nicht bremsen, das Biest. 


Als wir uns trafen - so mit krawumms - ging es um Essen. Genau genommen um Salat. Grillsalate. Für einen Kunden. Dabei sollten bestimmte Salatprodukte im Spiel sein. Soweit eine klare Aufgabenstellung. 


Und dann ging das Abenteuer im Kopf los: Welche Farben, welche Texturen, welche Geschmackskombinationen, welcher Look, welches Licht, welche Stimmung, welche Requisiten. Ich kann mich da meistens sehr schön fallen lassen und meine Gedanken nehmen mich mit auf diese Reise. Ich liebe das. Alle meine Sinne sind dann gespannt und zugleich frei wie ein an der Wäscheleine gespanntes, weißes Laken, dass nach unten locker im Wind flattert. Könnt Ihr Euch das vorstellen? Eine Art Anspannung und Entspannung zugleich. Sehr sinnlich. 


Ich muß sagen, ich habe noch nie versucht, meine Kreativitätsschübe in Worte zu fassen. Es führt mir aber hier und jetzt (deswegen mag ich das (Auf)schreiben) so gerne) wunderschön vor Augen, wie sehr ich liebe, was ich tue, wie sehr mein ganzer Körper, mein ganzer Geist dabei ist. Das ist eben nicht einfach ein Job, den ich da mache, das bin ich, der da schafft und werkt. Mein ganzes Ich. Mein Sein. Meine inneren Kämpfe. Meine Erfahrung. Mein gelebtes Leben. All das fließt in meine Arbeit ein. 


Wenn man trendy und hip sein möchte sagt man: "Ich bin grad im „flow“".

Aber das englische Wort trifft es gut, sogar sehr gut. Alles fließt. Aus einem heraus. Die Ideen. In Wellen. Wie das blaue Meer. 


Ach, und wie es da so aus mir herausfloß, diese ganze tollen Ideen und Bilder und ich so unendlich im Fluß war (anders als sonst), vergaß ich darüber des Kunden Salat. Uups.


Das Dumme war, dass es mir erst auffiel, als alle sechs Motive fotografiert waren – eben ohne besagten Salat. Ähm. Auf einmal meldete sich wieder mein Verstand: Irgendetwas stimmt an der Strecke nicht. Bis ich drauf kam, dass ich völlig und gänzlich am Thema vorbei gearbeitet hatte. So völlig eins mit mir selbst und meiner Muße. Schön für mich.


Nun, jetzt hätte ich mich ärgern können, dass die eigentliche Arbeit gar nicht fertig war, das ich mich so unvernüftig habe treiben lassen. Aber das tat ich nicht. Warum auch? Da war etwas Neues mit mir geschehen oder ich habe es zugelassen. Noch nie Dagewesenes. Es hatte wahrlich etwas Befreiendes und etwas zutiefst in mir Ruhendes. Nämlich, dass ich auch mal ohne meinen Verstand arbeiten kann, der mir dauert sagt, was ich zu tun und zu lassen habe. Ich kann und darf meinen Verstand auch mal ausschalten. Ja! Der will mir nämlich dauert und immer dazwischenfunken. Ok, anscheinend nicht dauert und immer. Ich habe etwas gelernt. Bei der kreativen Arbeit etwas ganz Essentielles für mich. Lernen ist Bewegung und Prozess. Hoffentlich bis an mein Lebensende.


Ich habe gelernt, dass mein so oft dominierender Verstand, mein oft alles beherrschender Kopf das Feld räumen und meinem Gefühl und meinem Bauch die Regie übernehmen lassen darf. Wie geht es Euch so? Seid Ihr mehr Kopf oder Bauch? Beides? Wie fühlt Ihr Euch damit?


Am Ende mußte ich natürlich beim Kunden um zwei Tage Aufschub bitten. Ich hab die Wahrheit gesagt und er hat's mit Humor genommen. Und aus den Bildern und den Gedanken ist dieser Blogpost entstanden.



*Nur so nebenbei. Mein beruflicher Alltag läuft weiß Gott nicht immer so ab. Es gibt auch richtig viel Ätzendes, wozu ich manchmal keinen Bock hab. So! Ich glaube mein Kopf würde sich nämlich bedanken, wenn ich meinem Bauch immer so viel Spielraum ließe. Und es ist nicht immer alles so glitzernd und schön. Aber daher sind eben diese Inseln so traumhaft, wo man sich so schöne blaue Flecken holen kann, siehe oben.*