Es war noch nie vorgekommen, dass es
keine Marmelade im Fichtenwald gab.
Denn die zwei Waldmännchen, Hutzel und
Butzel, die dort lebten, sammelten jedes Jahr mit Leidenschaft und
Hingabe Unmengen an Preiselbeeren und Heidelbeeren, um sie dann zu
duftender Marmelade einzukochen, die sie dann an an alle Bewohner des
Waldes als Wintervorrat verteilten.
Aber dieses Jahr kam alles anders.
Wie jedes Jahr, am
gleichen Tag, in aller Frühe, bereiteten sie alles für das
Beerensammeln und Einkochen vor. Es war immer ein großer Tag und sie
freuten sich sehr darauf. Alle Gläschen wurden ausgespült und
hergerichtet. Die Töpfe und der Zucker bereitgestellt. Die Körbe
gebürstet und vor die Tür gestellt. Alles war in bester Ordnung. So
wie immer. In vorzüglicher Laune zogen Hutzel und Butzel los.
Sie liefen nicht lange
und schon sahen sie vor sich die grünen, von Morgentau benetzten,
Sträucher. Aber irgendetwas war anderes. Das sahen sie schon von
Weitem. Und als sie näher kamen und hektisch unter die Blätter
griffen, bestätigte sich ihr Verdacht. Keine Beeren! Überhaupt
keine Beeren!
Das konnte doch nicht
wahr sein! „Wie ungeheuerlich!“, stammelte Butzel. „Wer ist
hier gewesen? Wer hat all die Beeren gepflückt?“, flüsterte
Hutzel. Sie suchten noch eine Weile weiter, aber nicht eine einzige
Beere war zu finden. Sie überlegten fieberhaft was zu tun war. Ihr
ganzer Zeitplan würde durcheinandergeraten, und schlimmer noch, die
Marmeladenproduktion stand auf dem Spiel. Hutzel konnte als erster
wieder klar denken. „Wir müssen zum alten Igel!“, stieß er
hervor.
Völlig außer Atem kamen
sie an seinem Laubbau an und raschelten so laut sie konnten. Der
Igel, kein Frühaufsteher, murrte und grummelte zwischen den Blättern
und steckte nach einer Weile seinen Kopf heraus: „Was gibst denn in
aller Herrgottsfrühe, Kinder?“
„Die Beeren sind weg!“,
japste Butzel. „Das kann nicht sein“, nuschelte der Igel, „mit
denen hab ich doch gestern Abend noch nett zusammengesessen und
Brombeerwein get...“. „Nein! Nicht die Bären!“ unterbrach in
Hutzel. Die Preisel- und Heidelbeeren! Sind weg! Spurlos!“ Stille.
Der alte Igel wachte langsam auf und begann zu überlegen. Den
Waldmännchen kam es wie eine Ewigkeit vor. Ungeduldig stiegen sie
von einem Fuß zum anderen. Plötzlich sagte der Igel ruhig: „Ich
denke, ich weiß wohin wir gehen müssen“, verriet aber nicht mehr.
Da sie den Igel kannten
stellten sie keine weiteren Fragen und liefen ihm schweigend
hinterher durch den Wald, über Zweige, Moos und Steine, bis sie an
ein kleines lilafarbenes, schiefes Häuschen kamen. Da hörten sie
schon ein lautes Schluchzen und Schniefen. Der Igel sah sie beide an
und nickte vielsagend. Hutzel und Butzel waren noch nie hier gewesen.
Der Igel klopfte laut an die Türe. Das Weinen hörte kurz auf und
begann von Neuem, diesmal noch lauter. „Bitte lass uns rein“,
sagte der Igel. Jemand schlurfte an die Tür und öffnete zögernd.
Als sie den langen Bart sahen, allerdings ganz nass von den ganzen
Tränen, wußten beide wen sie vor sich hatten. Den kleinen Zwerg
Loschy. Er sah wirklich erbärmlich aus.
„Was ist den los?“,
fragte Hutzel, noch nichts ahnend. Butzel schwante Übles. Loschy war
bekannt für sein Durcheinander im Kopf und in seinem Haus. „Wenn
ihr schon hier seid, warum fragt ihr dann noch“, seufzte Loschy.
Als er in die immer noch fragenden Gesichter sah begann er: „Gestern
spät abends hatte ich auf einmal solch große Lust zu zaubern. Ich
dachte, da heute Euer Beerensammeltag ist, mache ich Euch eine
Freunde und zaubere Euch noch mehr Beeren als sonst. Ich habe mich
schon sooo auf die Marmelade gefreut. Und irgendwie muß ich mich
wohl verzaubert haben. Auf einmal waren statt mehr Beeren, alle weg“,
schluchzte er erneut auf. „Ach Du meine Güte“, stießen da alle
drei gleichzeitig hervor. „Ich vermute Du hast schon alles
ausprobiert“, fragte der Igel. „Nein, ich...ich..war so
durcheinander, ich wußte nicht was ich tun sollte“, stotterte
Loschy.
„Ok“, sagte der Igel,
„ich habe eine Idee“. Die drei starrten ihn entgeistert an. „Seid
wann kannst DU denn zaubern?“, fragte Loschy. „Nun, ich hatte mal
die Gelegenheit in ein oder zwei Bücher zu schauen, aber zaubern
kann ich natürlich nicht“, sagte da der Igel etwas verlegen.
„Welche Idee hast Du denn?“, fragte Loschy. „Also als erstes
müßtest Du Dich ganz genau an Deinem Zauberspruch erinnern“,
sagte der Igel. „Das habe ich befürchtet“, murmelte der Zwerg.
Sanft schoben sie den Zwerg in sein Häuschen, setzten ihn auf einen
Hocker und haben ihm ein Glas Walderdbeersaft zum Beruhigen. Sie
empfahlen ihm die Augen zu schließen und sich zu Entspannen. „Ich
kann nicht!“, jammert da der Zwerg. „Doch Du kannst“, rief da
Hutzel, denk an die viele Marmelade, dann wird das schon“. „Ich
glaube es war etwas wie: „Preiselbeer und Heidelbeer...kommt her“,
stammelte Loschy. „Und weiter!“, drängten die anderen. „Nein,
es war so, glaub ich, rief Loschy:“ Preiselbeer und Heidelbeer
solln seyn mehr und mehr, kommt herbei schnell Beer um Beer, damit es
im Walde sey leer und leer. „Ohhh, nein“, kreischte Hutzel, „Du
hast das NICHT vergessen!“
Loschy kullerten gleich wieder ein paar
Tränen in seinen Bart. „Ruhe jetzt!“, polterte da der Igel.
„Konzentriert Euch alle bitte! Loschy, Du mußt den Zauberspruch,
so wie Du Ihn gesagt hast, rückwärts sprechen“, sprach der Igel.
Das klang für alle irgendwie logisch. So könnte es funktionieren.
Langsam, gaanz langsam buchstabierte nun Loschy die Wörter
rückwärts, was nicht einfach war. (Ihr könnt es ja mal probieren).
Loschy war nervös. Alles, der ganze Marmeladenvorrat für den
Winter, hing jetzt von ihm alleine ab: „Reel dddnu reel yeseldaW mi
se timad, reeB mu reeB lenhcs eibreh tommk rhem dnu rhem nyes nellos
reebledeiH dnu reeblesierP“.
Selbst wenn die Idee des
Igels funktionieren würde, dachten sie, Loschy hatte genuschelt und
gestottert und sich sicher einige Male verhaspelt. Und auf einmal,
wie mit einem Fingerschnipp prasselten und polterten auf einmal rote
und blaue Beeren in Hülle und Fülle auf die Hütte und den
Waldboden nieder. Einige klatschten auch gegen die Scheiben wie
Hagelkörner. Ihr könnt Euch denken was für eine Sauerei das war.
Und so schnell der Zauber gekommen war, war er auch wieder vorbei.
Keiner sagte ein Wort. Vorsichtig öffnete Hutzel die Türe. Er hätte
Heulen mögen. Alles voller Beerenpampe. Um ein Haar wäre er
ausgerutscht. Loschy stürzte an ihm vorbei und griff unter den
erstbesten Beerenbusch: „Da! Da, hängt eine dran!“, schrie er
freudestrahlend. „Und der Rest?“, kreischte Butzel fast
hysterisch. „Nun, daraus könnte man doch trotzdem noch Marmelade
kochen, oder nicht“, flüsterte Loschy kleinlaut. „Ich habe eine
viel bessere Idee“, sagte da Hutzel ruhig. „Wir machen aus dem
Rest Beeren-Pfannkuchen."
Gesagt, getan. Loschy
lief ins Dickicht und rief alle Waldbewohner zusammen. Alle
schleppten Töpfe, Eimer, Wannen, Bottiche, Schalen und Schüsseln
herbei, klaubten und kratzten zusammen was ging und rührten und
buken zusammen gemeinsam hunderte und aberhunderte von köstlichen
süßen, roten und blauen Pfannkuchen für alle hungrigen Tiere.
Nachdem sie so gut
gespeist hatten war niemand mehr böse auf Loschy, denn wie der Zwerg
schon richtig bemerkt hatte, seine Bemühungen waren nicht vergebens
gewesen. Einige Beeren hingen wirklich an den Sträuchern und so gab
es keinen Zweifel, dass nächsten Jahr alle Beeren an Ort und Stelle
hingen würden.
W Alles wird gut! Nur anders. W
Eure la petite cuisine