Dienstag, 17. September 2013

kinderküche: heidelbeer -und preiselbeerküchlein und eine laaange geschichte




Es war noch nie vorgekommen, dass es keine Marmelade im Fichtenwald gab.


Denn die zwei Waldmännchen, Hutzel und Butzel, die dort lebten, sammelten jedes Jahr mit Leidenschaft und Hingabe Unmengen an Preiselbeeren und Heidelbeeren, um sie dann zu duftender Marmelade einzukochen, die sie dann an an alle Bewohner des Waldes als Wintervorrat verteilten. 





Aber dieses Jahr kam alles anders.


Wie jedes Jahr, am gleichen Tag, in aller Frühe, bereiteten sie alles für das Beerensammeln und Einkochen vor. Es war immer ein großer Tag und sie freuten sich sehr darauf. Alle Gläschen wurden ausgespült und hergerichtet. Die Töpfe und der Zucker bereitgestellt. Die Körbe gebürstet und vor die Tür gestellt. Alles war in bester Ordnung. So wie immer. In vorzüglicher Laune zogen Hutzel und Butzel los.  


Sie liefen nicht lange und schon sahen sie vor sich die grünen, von Morgentau benetzten, Sträucher. Aber irgendetwas war anderes. Das sahen sie schon von Weitem. Und als sie näher kamen und hektisch unter die Blätter griffen, bestätigte sich ihr Verdacht. Keine Beeren! Überhaupt keine Beeren!

Das konnte doch nicht wahr sein! „Wie ungeheuerlich!“, stammelte Butzel. „Wer ist hier gewesen? Wer hat all die Beeren gepflückt?“, flüsterte Hutzel. Sie suchten noch eine Weile weiter, aber nicht eine einzige Beere war zu finden. Sie überlegten fieberhaft was zu tun war. Ihr ganzer Zeitplan würde durcheinandergeraten, und schlimmer noch, die Marmeladenproduktion stand auf dem Spiel. Hutzel konnte als erster wieder klar denken. „Wir müssen zum alten Igel!“, stieß er hervor.  



Völlig außer Atem kamen sie an seinem Laubbau an und raschelten so laut sie konnten. Der Igel, kein Frühaufsteher, murrte und grummelte zwischen den Blättern und steckte nach einer Weile seinen Kopf heraus: „Was gibst denn in aller Herrgottsfrühe, Kinder?“


„Die Beeren sind weg!“, japste Butzel. „Das kann nicht sein“, nuschelte der Igel, „mit denen hab ich doch gestern Abend noch nett zusammengesessen und Brombeerwein get...“. „Nein! Nicht die Bären!“ unterbrach in Hutzel. Die Preisel- und Heidelbeeren! Sind weg! Spurlos!“ Stille. Der alte Igel wachte langsam auf und begann zu überlegen. Den Waldmännchen kam es wie eine Ewigkeit vor. Ungeduldig stiegen sie von einem Fuß zum anderen. Plötzlich sagte der Igel ruhig: „Ich denke, ich weiß wohin wir gehen müssen“, verriet aber nicht mehr. 


Da sie den Igel kannten stellten sie keine weiteren Fragen und liefen ihm schweigend hinterher durch den Wald, über Zweige, Moos und Steine, bis sie an ein kleines lilafarbenes, schiefes Häuschen kamen. Da hörten sie schon ein lautes Schluchzen und Schniefen. Der Igel sah sie beide an und nickte vielsagend. Hutzel und Butzel waren noch nie hier gewesen. Der Igel klopfte laut an die Türe. Das Weinen hörte kurz auf und begann von Neuem, diesmal noch lauter. „Bitte lass uns rein“, sagte der Igel. Jemand schlurfte an die Tür und öffnete zögernd. Als sie den langen Bart sahen, allerdings ganz nass von den ganzen Tränen, wußten beide wen sie vor sich hatten. Den kleinen Zwerg Loschy. Er sah wirklich erbärmlich aus.

„Was ist den los?“, fragte Hutzel, noch nichts ahnend. Butzel schwante Übles. Loschy war bekannt für sein Durcheinander im Kopf und in seinem Haus. „Wenn ihr schon hier seid, warum fragt ihr dann noch“, seufzte Loschy. Als er in die immer noch fragenden Gesichter sah begann er: „Gestern spät abends hatte ich auf einmal solch große Lust zu zaubern. Ich dachte, da heute Euer Beerensammeltag ist, mache ich Euch eine Freunde und zaubere Euch noch mehr Beeren als sonst. Ich habe mich schon sooo auf die Marmelade gefreut. Und irgendwie muß ich mich wohl verzaubert haben. Auf einmal waren statt mehr Beeren, alle weg“, schluchzte er erneut auf. „Ach Du meine Güte“, stießen da alle drei gleichzeitig hervor. „Ich vermute Du hast schon alles ausprobiert“, fragte der Igel. „Nein, ich...ich..war so durcheinander, ich wußte nicht was ich tun sollte“, stotterte Loschy.  


„Ok“, sagte der Igel, „ich habe eine Idee“. Die drei starrten ihn entgeistert an. „Seid wann kannst DU denn zaubern?“, fragte Loschy. „Nun, ich hatte mal die Gelegenheit in ein oder zwei Bücher zu schauen, aber zaubern kann ich natürlich nicht“, sagte da der Igel etwas verlegen. „Welche Idee hast Du denn?“, fragte Loschy. „Also als erstes müßtest Du Dich ganz genau an Deinem Zauberspruch erinnern“, sagte der Igel. „Das habe ich befürchtet“, murmelte der Zwerg. 

Sanft schoben sie den Zwerg in sein Häuschen, setzten ihn auf einen Hocker und haben ihm ein Glas Walderdbeersaft zum Beruhigen. Sie empfahlen ihm die Augen zu schließen und sich zu Entspannen. „Ich kann nicht!“, jammert da der Zwerg. „Doch Du kannst“, rief da Hutzel, denk an die viele Marmelade, dann wird das schon“. „Ich glaube es war etwas wie: „Preiselbeer und Heidelbeer...kommt her“, stammelte Loschy. „Und weiter!“, drängten die anderen. „Nein, es war so, glaub ich, rief Loschy:“ Preiselbeer und Heidelbeer solln seyn mehr und mehr, kommt herbei schnell Beer um Beer, damit es im Walde sey leer und leer. „Ohhh, nein“, kreischte Hutzel, „Du hast das NICHT vergessen!“ 

Loschy kullerten gleich wieder ein paar Tränen in seinen Bart. „Ruhe jetzt!“, polterte da der Igel. „Konzentriert Euch alle bitte! Loschy, Du mußt den Zauberspruch, so wie Du Ihn gesagt hast, rückwärts sprechen“, sprach der Igel. Das klang für alle irgendwie logisch. So könnte es funktionieren. Langsam, gaanz langsam buchstabierte nun Loschy die Wörter rückwärts, was nicht einfach war. (Ihr könnt es ja mal probieren). Loschy war nervös. Alles, der ganze Marmeladenvorrat für den Winter, hing jetzt von ihm alleine ab: „Reel dddnu reel yeseldaW mi se timad, reeB mu reeB lenhcs eibreh tommk rhem dnu rhem nyes nellos reebledeiH dnu reeblesierP“.  


Selbst wenn die Idee des Igels funktionieren würde, dachten sie, Loschy hatte genuschelt und gestottert und sich sicher einige Male verhaspelt. Und auf einmal, wie mit einem Fingerschnipp prasselten und polterten auf einmal rote und blaue Beeren in Hülle und Fülle auf die Hütte und den Waldboden nieder. Einige klatschten auch gegen die Scheiben wie Hagelkörner. Ihr könnt Euch denken was für eine Sauerei das war. Und so schnell der Zauber gekommen war, war er auch wieder vorbei. Keiner sagte ein Wort. Vorsichtig öffnete Hutzel die Türe. Er hätte Heulen mögen. Alles voller Beerenpampe. Um ein Haar wäre er ausgerutscht. Loschy stürzte an ihm vorbei und griff unter den erstbesten Beerenbusch: „Da! Da, hängt eine dran!“, schrie er freudestrahlend. „Und der Rest?“, kreischte Butzel fast hysterisch. „Nun, daraus könnte man doch trotzdem noch Marmelade kochen, oder nicht“, flüsterte Loschy kleinlaut. „Ich habe eine viel bessere Idee“, sagte da Hutzel ruhig. „Wir machen aus dem Rest Beeren-Pfannkuchen."


Gesagt, getan. Loschy lief ins Dickicht und rief alle Waldbewohner zusammen. Alle schleppten Töpfe, Eimer, Wannen, Bottiche, Schalen und Schüsseln herbei, klaubten und kratzten zusammen was ging und rührten und buken zusammen gemeinsam hunderte und aberhunderte von köstlichen süßen, roten und blauen Pfannkuchen für alle hungrigen Tiere. 


Nachdem sie so gut gespeist hatten war niemand mehr böse auf Loschy, denn wie der Zwerg schon richtig bemerkt hatte, seine Bemühungen waren nicht vergebens gewesen. Einige Beeren hingen wirklich an den Sträuchern und so gab es keinen Zweifel, dass nächsten Jahr alle Beeren an Ort und Stelle hingen würden.  




W Alles wird gut! Nur anders. W

Eure la petite cuisine

Donnerstag, 12. September 2013

von bergen, almen, edelweiss, kühen, lederhosen, jungbauern und apfelstrudel


Granglerhütte, 1350 m Seehöhe

















Weißpriach Tal, 1100 m Seehöhe





















Prebersee, alpiner Moorsee, 1500 m Seehöhe







"Kim aufi!", ruft der kleine Junge. Mein Sohn schaut mich fragend an. Ja, er muß sich noch umgewöhnen. An die Sprache, - wir kommen gerade vom Gardasee - an die Lederhosen, an die kühlere Luft, die Berge ringsherum und die Kühe, die überall rumstehen und gehen. Ich muß auch erst wechseln von 33 Grad im Schatten, Aperol Sprizz am Pool und Pasta auf Wanderschuhe, PreiselBier (echt sauguat) und Brettljausen. Aber das ist schnell geschehen.

Obwohl ich die Hitze liebe, so richtig durchatmen in den Bergen hat auch seinen Reiz.

Das Weißpriach Tal! Das war in diesem Sommer das mit schönste Naturerlebnis meines bisherigen Lebens. Diese Ruhe. Diese kristallklaren Gewässer der Bergbäche. Unbeschreiblich. Zum Verweilen lädt die urige Granglerhütte ein. Und die Kühe laufen überall umanand. Das hat was von Berg-und-Wiesen-Anarchie. Sie stapfen durch Wälder, über Wiesen, durch Bäche, auf Wegen. Egal. Einfach durch. Irgendeine Ordnung besagt, dass die Kühe vom Bauern X glockenbimmelnd laufen dürfen, während die vom Bauern Y hinterm Zaun stehen müssen. Schauend und muhend. Das Leben ist manchmal ungerecht.

Ich mag Kühe. Wirklich. Ich hab nur Respekt vor der gewaltigen Zunge. Als Kind wurde mir mal die Hand abgeschleckt und ich dachte damals panisch sie bliebe an der haarigen, nassfeuchten Zunge kleben. Deswegen streichle ich die heute lieber nicht mehr so nah am Maul und Juju versteckt sich erstmal vorsichtshalber hinter mir. Man kann nie wissen. Aber das kleine Kalberl hat's ihm angetan. Hingebungsvoll und hungrig saugt es gierig an dem Milcheimer mit dem Nuckel und schlabbert in der Hektik viel daneben. "Ich will heute Abend auch eine Milchflasche!", fordert mein Sohn bei diesem Anblick ein. "Möchtest Du gleich die frisch gemolkene haben?", frage ich ihn.

Er versteht nicht was ich meine. Er weiß noch nicht wo die Milch herkommt. Aber als die Bäuerin die erste Kuh melkt, steht Juju mit großen Augen daneben und bemerkt, dass da aus der Kuh „Milch rauskommt“. Lebendiger Anschauungsunterricht.

Als es zum "Hei'gen" (dt. Heuen/Heu ernten) geht, ist mein Großerkleiner auch gleich mit dabei. Mit wahrer Freude und regelrechtem Arbeitseifer wirft mein Sohn Heugabel um Heugabel auf den Anhänger. Die Träger rutschen ihm von den Schultern, er hat rote Wangerln und ich schaue ihm gerne dabei zu. Als ich nach einer Weile anmerke, ob er nicht mal zum Abendessen reinkommen wolle, entgegnet er: "Nein, ich muß noch arbeiten!" Ich lasse ihm seinen Willen. Soll er sich beim Heuen schön verausgaben.

Wenn ich so zurückdenke an unsere Bauernhofurlaube auf dem Feierlhof vor 30 Jahren, war es nicht anders. Stundenlang war ich im Stall, auf dem Heuboden, im Misthaufen, in den Obstbäumen oder sonstwo auf dem Hof. Ich hab den Feierl-Bauern bewundert, der eine Kuh immer mit den Händen gemolken hat, weil diese die Melkmaschine nicht vertrug. Er saß dann auf einem uralten dreibeinigen Holzschemel und legte seine kräftigen Hände an die Euter. Die Milch floß nur so in den Eimer. Neugierig stand ich daneben, bis er mich einlud, auch mal zu probieren. Ich tat mein bestes, aber ich habe nicht einen einzigen Spritzer aus der Kuh herausbekommen. Aber Abend roch ich immer nach Kuh oder Schwein oder allem zusammen. Ich liebe diesen Geruch. Meine Mutter steckte mich lachend in die Wanne.

Wenn ich dann heute, nach 30 Jahren, im Kuhstall bin, und der Stallgeruch in der Luft liegt, weckt das (als Städterin) einfach wunderschöne Erinnerungen.

Einmal wurden wir Nachts aufgeweckt (meine Mutter, meine Schwester und ich) als die Katze im Schweinestall ihre Jungen bekam und mit einer Laterne sind wir über den Hof gegangen. Eines hat die Katzenmutter nicht angenommen, das durften wir mit der Flasche füttern. Ich sag Euch, gibt es etwas Schönes für Kinder? Wir waren damals glückselig.

Juju dagegen ist den Kühen und dem Schwein gegenüber noch skeptisch, im Gegensatz zum kleinen Jungen vom Hof. Man merkt, dass er das jeden Tag mehrmals sieht und überall dabei ist. Er rennt seiner Mutter vor die Füße, die die schwere, mit Mist bepackte Schubkarre zum Misthaufen schiebt und hat keine Angst vor Karoline, Josephine und Alma, den Kuhdamen.

Mein kleiner Bursch' hingehen hilft lieber wieder mit wenn es ums Heu geht. Er stiefelt die Treppe zum Heustadl hoch und schiebt Heu mit der Gabel runter in den Stall, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Ich muß schmunzeln über meinen kleinen Jungbauern und denke dann an meine erste (und letzte) miterlebte Schweineschlachtung.

Im nachhinein betrachtet, war das alles schon sehr urig. Der Bauer selbst hat das Schwein gepackt und auf einmal ging es ganz schnell. Im Innenhof auf einem alten Schlachttisch hat er es zerlegt und bis zum frühen Abend wurde gearbeitet. Die blinde Großmutter hat auf dem Hof in der Sonne die Därme ausgespült und der Bauer hat das Blut mit Kübeln voller Wasser etwas weggeschwemmt. Alpträume hatte ich keine, wenn das jemand denkt, es gehörte in der Ferienzeit zum Hofleben dazu und wenn man helfen wollte, durfte man das auch.

Auch wurde einmal ein kleiner Stier auf den Hof gelassen. Ich weiß nicht mehr warum, der war ganz schön wild und hätte einen tollkühnen Gast fast auf die Hörner genommen. Wir Kinder schauten uns den Spaß aus unserem Fenster aus an.

Gab's nichts zu Gucken waren wir im Heuboden und sind von den Balken runter ins Heu gesprungen. Rauf und runter. Rauf und runter. Und mit den Gummistiefeln durch den Misthaufen. Yeah! Meine Mutter war hellauf begeistert.

Juju ist kein Kind, welches besonders gerne läuft. Zuhause können schon 30 Meter eine Herausforderung sein. Daher war ich wegen der bevorstehenden Wanderungen etwas nervös. Aber statt einem quengeligen Kind, welches grantig über den Boden rutscht, lief er immer guter Laune, egal ob im Regen, oder in der Sonne, neben uns, oder meist vor uns her. Dafür hat er in diesen Tagen unglaubliche Mengen Essen verputzt: ein Teller Pommes frites mit Grillwürstl war weg im Nu. Und auf dem Weg zurück schlief er dann selig im Auto, Kraft tanken für die allabendliche Stallarbeit.


Berge, wir kommen wieder! W